Gedanken zur Arbeitsintegration bei binationalen Paaren

Corinna Bütikofer Nkhoma

Präsidentin IG Binational

Interview mit einem Mitglied der IG Binational, durchgeführt von Corinna Bütikofer Nkhoma, Vorstand IG Binational

CB: Du hast an der Veranstaltung „Wegen der Liebe arbeitslos“ teilgenommen, an der es um die Berufsintegration von gut qualifizierten Binationalen ging. Neben zwei Fachvorträgen haben vier Binationale erzählt, wie ihre Berufsintegration verlaufen ist und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten. Was hat das bei dir ausgelöst?

CM*: Mich hat die Veranstaltung sehr berührt. Ich habe gemerkt, dass die Zeit der Arbeitssuche vor allem in meiner ersten binationalen Beziehung einschneidend war und tiefe Spuren hinterlassen hat. Mein Ex-Mann und mein heutiger Ehemann waren beide nicht hochqualifiziert. Es ist mir bewusst, dass sich die Situation mit einem akademischen Abschluss nochmals etwas anders anfühlt. Doch die Ohnmacht und Hilflosigkeit kommt bei beiden auf. Obwohl ich in meiner zweiten Beziehung vieles anders gemacht habe in punkto Arbeitsintegration, bleibt es eine traumatisierende Zeit.

CB: Kannst du das etwas ausführen?

CM: In meinem Abschlusspraktikum zur damaligen Krankenschwester (heute Pflegefachfrau), habe ich mich in einen Kongolesen verliebt. Er war Asylsuchender und ich jung und verliebt, sodass wir schon bald seine Papiere für eine Heirat organisierten. Nach der Heirat ging die Arbeitssuche los. Mein damaliger Mann hatte ein abgebrochenes pädagogisches Studium vorzuweisen, doch nichts Schriftliches. Also suchten wir irgendeinen Job, der Geld einbringen sollte. Deutsch sprach er sehr gebrochen, schriftlich konnte er sich nur auf Französisch ausdrücken. Nun kam ich ins Spiel. Ich telefonierte wie eine Wilde durch die gelben Seiten im Telefonbuch (damals hatten wir noch keinen PC). Bei der Heirat hatte ich ja unterschrieben, dass ich für meinen Mann aufkomme, bis er Geld verdient, was ich natürlich niemandem sagte. Natürlich gab es nur Absagen. Es waren auch wenige Stellen ausgeschrieben in den Zeitungen, da es Dezember war. Nach einigen Wochen hatte ich langsam ein panisch angehauchtes Bauchgefühl. Mein Exmann nahm das locker. “Kommt schon, braucht Geduld“, meinte er. Also machte ich weiter, Bewerbungen geschrieben und bei jedem Gang zum Briefkasten ein ungutes Gefühl, falls mal Post kam. Im Juni konnte er dann im gleichen Dorf in einer Firma mit befristetem Jahresvertrag anfangen, und im Juli kam unser Sohn zur Welt. Zur Geburt des zweiten Kindes, zwei Jahre später, bekam er eine Festanstellung. Später kam es zur Scheidung. 12 Jahre später habe ich nach viel Hin und Her wieder einen Asylsuchenden geheiratet. Auch dieser Partner konnte fast kein Deutsch und hatte wenig Schulbildung. Er war Autospengler in seiner Heimat, keine Papiere und keinen Führerausweis.

CB: Die Ausgangslage in deiner zweiten binationalen Beziehung war beim Berufseinstieg ähnlich. Was hast du anders gemacht?

CM: Dieses Mal konnte ich auf meine Erfahrungen zurückgreifen. Darum liess ich ihn machen. Ich schickte ihn auf Jobsuche –mit leicht schlechtem Gewissen, da er wirklich wenig Deutsch sprach. Er war motiviert. Für ihn war es schwierig, keine Arbeit zu haben. Nicht schwierig war es für ihn, auf die Leute zuzugehen und nach Arbeit zu fragen. Er ging in jedes Jobbüro im weiteren Umkreis. Ich suchte (jetzt mit PC ausgestattet) nach möglichen Stellen und er ging diese abklappern oder ich schrieb zusammen mit ihm Bewerbungen. Die Absagen und demoralisierenden Telefonate waren weiterhin schwierig auszuhalten, aber im Vergleich zu meinem Exmann, war dieses Mal nicht ich die Hauptverantwortliche und so konnte ich besser mit all dem Frust und der Angst, dass es wieder zum gleichen Horror kommt, etwas besser umgehen. Wir haben uns auch ausgetauscht und einander unsere Gefühle mitgeteilt. Nach 80 schriftlichen Bewerbungen und viel Unterwegssein, kam ein Telefon von einem Jobbüro, welches mein Mann selbst ausfindig gemacht hatte. Er konnte in einer Firma temporär anfangen und nach einem Jahr hatte er eine Festanstellung, bis heute.

CB: Die Berufsintegration ist geglückt, ihr seid in einer glücklichen binationalen Beziehung und habt eine gemeinsame Familie. Warum löst bei dir dieses Thema trotzdem noch so starke Emotionen aus?

CM: Es waren Grenzerfahrungen mit meinen Gefühlen und Kräften. Der Umstand, dass ich gegen die Erwartungen meiner Eltern und einiger Freunde einen ausländischen Partner gewählt habe, und dies zweimal, dass ich unterzeichnet habe, für meinen Partner aufzukommen, falls kein Job gefunden wird, hat mich gehindert, mich auszutauschen und meine Sorgen und Ängste nach aussen mitzuteilen (und Networking zu betreiben). Bei jeder Antwort „Er ist arbeitslos“, auf die Frage „Was arbeitet dein Mann?“, konnte ich in den Gesichtern folgendes lesen: Der möchte sicher nicht arbeiten, er ist faul, dumm, geschieht ihm Recht, schliesslich gibt es Schweizer Arbeitslose. Da kommt keine Lust und Motivation auf, dich mitzuteilen. Eher Selbstzweifel. Jung und unerfahren, konnte ich zwar Mut und Energie mich einzusetzen an mir erkennen, doch kam es mir vor wie bei einem 100-m-Lauf. Schnell, energiegeladen, aber auch schnell ausgelaugt und hoffnungslos demoralisiert. Für die Partner waren die Auswirkungen unterschiedlich. Mein Exmann, da ich die volle Verantwortung und das Handeln übernommen habe, empfand diese Zeit der Arbeitssuche nicht sonderlich schlimm. Ich gab ihm auch keinen Anlass, sich Sorgen zu machen, habe ja aus vollen Energiequellen gehandelt, nur leider nicht sehr nachhaltig vorausgeschaut. Mit etwas Erfahrung konnte ich die gleiche Situation ganz anders angehen und auch mit meinen Gefühlen und Reserven besser haushälterisch umgehen. Mein zweiter Partner hat aber auch viel mehr von meiner Gefühlswelt mitbekommen, da wir miteinander gesprochen haben. Er hat sich mit Kollegen ausgetauscht und ich ein wenig mehr mit meinen, aber immer noch mit Zurückhaltung. Nun bin ich das Risiko des Scheiterns ja das zweite Mal eingegangen, auch wieder gegen die Meinung der Eltern, und einige Freundschaften haben sich aufgelöst.

CB: Was rätst du binationalen Paaren, die noch am Anfang der Arbeitsintegration stehen?

CM: Ich kann meine Erlebnisse weitergeben und bestätigen: Mit viel Mut zu sich selbst, Versagen, Fehler eingestehen – es geht weiter. Sucht euch Leute zum Austauschen und zum Vernetzen und – habt Geduld.

CB: Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen geteilt hast!

* Der Name des interviewten Mitglieds ist dem Vorstand bekannt. Wer sich gerne mit ihr in Verbindung setzen möchte, um sich auszutauschen, kann den Vorstand unter info at ig-binatinal.ch kontaktieren.

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