Racial profiling (discrimination au faciès)

Catherine Aubert Barry

Vorstand IG Binational

Mit der Demütigung leben?

Alle in der Schweiz lebenden Personen dunkler Hautfarbe kennen Formen von Reduktion («woher kommst du eigentlich?»), Diskriminierung (besondere Beobachtung am Arbeits- oder Studienplatz) oder gar Racial Profiling durch unmotiviertes Herauspicken aus einer Masse und Kontrolle der Papiere seitens PolizistInnen. Die Ombudsstelle der Stadt Zürich hat in den letzten Jahren auch verschiedentlich von Fällen berichtet. Offiziell reicht die Hautfarbe nicht, um jemanden polizeilich zu kontrollieren. Es müssten noch andere «Verdachtsmomente» vorliegen. Die Demütigung, welche die kontrollierte Person dabei erfährt, kann sich jede Empathie fähige Person vorstellen. Deshalb ist bei der xten Kontrolle nachvollziehbar, dass man sich weigert, den Ausweis sofort zu zeigen oder die man die Frage stellt, warum man nun kontrolliert wird.

Zwei Binationale, die sich wehrten und nicht Opfer bleiben wollten

Der eine, Mohamed Wa Baile bekam eine Busse, die er gerichtlich angefochten hatte. Das Bezirksgericht Zürich drückte sich auch da um das heisse Eisen, indem es im Urteil (7.11.16) festhielt « die kontrollierte Person müsse sich ausweisen, auch wenn die Personenkontrolle ungerechtfertigt sei» und das Gericht habe nur diesen Straftatbestand (Verweigerung sich auszuweisen) zu beurteilen und nicht etwaige strukturelle Mängel bei der Polizei, die zu ungerechtfertigten Kontrollen führen könnten. Durch diesen Fall und die gleichzeitig entstandene Bewegung (stop-racial-profiling.ch) erfuhr das Thema Racial Profiling jedoch wenigstens medial einen guten Widerhall.

Im Fall Wilson A. artete die Personenkontrolle derart aus, dass der Kontrollierte (in Handschellen) ins Spital eingeliefert werden musste. Der Arzt attestierte ihm Quetschungen, Prellungen an Hals, Nacken und Kiefer, einen Bruch an der Wirbelsäule, Augenentzündungen. Zudem sei das Gewebe um A.s Herzschrittmacher sehr stark geschwollen und mit Blutergüssen versehen. Im Polizeirapport stand jedoch, er habe keine Verletzungen. Wilson A., der laut eigener Aussage gewürgt wurde, nicht mehr Luft bekam und sich dem Tode nahe fühlte, erstattete Anzeige gegen die drei BeamtInnen.

Warum fast nie Anzeige erstattet wird

Das Hauptrisiko ist, dass das Opfer zum Täter gemacht wird. Denn die Weigerung, sich auszuweisen, entspricht dem Straftatbestand der «Hinderung einer Amtshandlung», also droht sehr schnell eine Gegenanklage. Auch Wilson A. wurde zuerst angeklagt, was dann aber wieder fallen gelassen wurde. Zudem zeigen die Erfahrungen, die Wilson A. und seine Frau gemacht haben, dass es fast unmöglich ist, einen Anwalt zu finden, der einen solchen Fall übernimmt. Ihr Anwalt Bruno Steiner, ist ein absoluter Glücksfall, der mit persönlichem gerichtshistorischem Interesse die blinden Flecken der Polizei- und Justizarbeit aufdecken will und sich dafür voll engagiert. Die Geschichte der amtlichen Verschleppung (der Prozess fand 9 Jahre nach der Tat statt) und zeitweiligen Banalisierung der Anklage von «Gefährdung des Lebens» auf «einfache Körperverletzung» spricht eine deutliche Sprache. Zwar haben die angeklagten PolizistInnen vor Gericht zugegeben, Pfefferspray, «rohe Körperkraft» und Schlagstöcke eingesetzt zu haben, jedoch sagten sie unisono, sie hätten Wilson A. nicht gewürgt.

Wenn das Gericht auf ein forensisches Gutachten verzichtet

Anhand des Arztberichtes im Unispital wäre es leicht gewesen, ein gerichtsmedizinisches Gutachten anzuordnen, das Klarheit über die Schwere der Gewalteinwirkung hätte bringen können. Gerade dieses Gutachten wollte das Gericht in diesem Fall nicht anordnen. Nicht nur wurde das Verfahren verschleppt und banalisiert, sondern es ist auch offensichtlich, dass keine Klärung erwünscht ist, die die Autorität der polizeilichen Macht hätte in Frage stellen können. Hier müsste eigentlich eine neutrale Instanz über den Fall richten, denn die Justiz ist in Sachen Polizeigewalt Partei. Von polizeilicher Seite her wird beteuert, Racial Profiling, sei ein wichtiges Thema in der Schulung der PolizistInnen. Wenn ein Fall jedoch vor Gericht kommt (auch die Ausführungen des Bundesgerichtes vom 7.3.2018 in der Verwaltungsbeschwerde von Wa Baile bestätigen dies), dann drückt sich das Gericht um eine Stellungnahme und weicht der Frage des Racial Profiling aus oder beteuert sogar, es habe kein Racial Profiling stattgefunden (so der Richter am 18.4.2018). Es ist nämlich so, dass eine allein aufgrund äusserer Merkmale vorgenommene Polizeikontrolle als nichtig betrachtet werden müsste und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen könnte. Juristisch ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, da Wilson A. und sein Anwalt Steiner ihren Fall weiterziehen.

Was tun?

Was tun, wenn man nicht die Kraft und den Mut eines Wa Baile und Wilson A. hat und halt brav in jedem Fall von willkürlichen Kontrolle aufgrund eines äusseren Merkmals seine Wut runterschluckt und lieber freundlich seinen Ausweis zeigt? Natürlich sollte man sich möglichst natürlich benehmen, in der Hoffnung nicht aufzufallen. Wenn man trotzdem kontrolliert wird, ist zu empfehlen, den Fall aufzuschreiben und an einer fachlichen Stelle (z.B. Ombudsstelle, oder SOS Racisme etc.) zu melden, damit doch möglichst viele Fälle dokumentiert werden und Racial Profiling als Realität ernstgenommen, publik gemacht und immer mehr geächtet wird. Es ist auch wichtig, dass die diskriminierte Person die Gelegenheit hat, ihre Verletzung zu artikulieren, denn das Runterschlucken der Wut tut nicht gut und kann der eigenen Gesundheit schaden. Dazu braucht es ein Umfeld, in dem das Erlebte ernst genommen wird: Der/die Partner/in, Freunde, Vertrauenspersonen oder auch die IG Binational. Wenn der wiederholte Umgang mit dem Erleben von Diskriminierung innerlich extrem aufwühlt und ständige Gefühle von extremer Wut oder Ohnmacht auslöst, könnte auch der Besuch eines Psychologen oder eines Kurses in Deeskalation helfen. In der gewaltfreien Kommunikation werden die eigenen Gefühle wahrgenommen, benannt und in legitime Bedürfnisse umgemünzt. Auch politisches Handeln im Kampf gegen Racial Profiling entlastet.
Im Rahmen der IG Binational versuchen wir den strukturellen Rassismus und seinen Gründen nachzugehen und in Artikeln und Veranstaltungen zu thematisieren. Es ist wichtig, in unserem alltäglichen Leben die Sinne dafür zu stärken und den Finger darauf zu legen, auch dann, wenn man selbst nicht persönlich Opfer, sondern „nur“ Zeuge ist.

L’Autrice

Est depuis de longues années membres du comité de l’Association IG Binational, issue d’une famille binationale et vivant dans un mariage binational. Elle est prof de lycée à la retraite.

Racial Profiling

Der Begriff «Rassistisches Profiling» bezeichnet alle Formen von diskriminierenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegenüber Personengruppen, welche von den Polizisten/-innen als ethnisch oder religiös «andersartig» wahrgenommen werden.

Quelle: Arbeitdefinition von www.humanrights.ch

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