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alte häsin
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Dieser Artikel wurde von folgendem Absender empfohlen: info@ig-binational.ch, sehr interessante folgerung, zum 2x auf der zunge zergehn zu lassen:

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Und tschüss!
Von Bettina Weber. Aktualisiert am 05.08.2013
Nicht nur in der Schweiz, auch in den meisten westlichen Ländern sind es fast doppelt so viele Frauen wie Männer, die Beziehungen beenden. Weshalb eigentlich? Eine Spurensuche.

Wie hoch die Scheidungsquote in der Schweiz ist, steht fest: 43 Prozent. Auf den ersten Blick ist das im Vergleich zu 2010 (54 Prozent) ein Rückgang, allerdings resultiert er lediglich aus einer abgeänderten Datenerhebung. Wie viele Jahre eine Ehe im Durchschnitt hält, steht ebenfalls fest: 14,5 Jahre. Man weiss auch, in welchen Kantonen mehr geschieden wird und in welchen weniger, man weiss, dass seit geraumer Zeit langjährige Ehen deutlich häufiger aufgelöst werden. Was man nicht weiss: Von wem der Impuls zur Trennung ausgeht, denn das wird vom Bundesamt für Statistik nicht erfasst. Die Schweiz, sagt der Basler Soziologe Walter Hollstein, sei wohl das einzige westliche Land, das dies nicht nach Geschlechtern aufschlüssle.

Trotz des Fehlens von genauen Zahlen wird immer wieder kolportiert, es seien in 75 Prozent der Fälle die Frauen, die eine Ehe beendeten. Die Berner Psychologieprofessorin Pasqualina Perrig-Chiello wollte es genau wissen. Zusam men mit ihrem Team befragte sie letztes Jahr 1000 geschiedene Paare aus allen Gebieten und Schichten der Schweiz und wollte unter anderem wissen, von wem die Trennung ausgegangen ist (der Unterschied zwischen Trennung und Scheidung ist wichtig, weil heute viele Paare aus praktischen Gründen die Scheidung gemeinsam einreichen – die Frage nach der Trennung ist demnach aufschlussreicher). Ihr Befund: Bei den über 40-Jährigen sind es zu 53 Prozent die Frauen und zu 35 Prozent die Männer, welche die Trennung initiieren; der Rest fällt den Entschluss gemeinsam.

Anders sieht es bei den Jungen und bei den Paaren über 60 aus: Da sind es in 75 beziehungsweise 60 Prozent der Fälle die Frauen, die nicht mehr wollen. Die Zahlen sind also nicht ganz so dramatisch wie behauptet, sprechen aber dennoch eine deutliche Sprache – und stimmen mit den Statistiken aus dem Ausland überein: Die Frauen werfen den Bettel fast doppelt so häufig hin wie die Männer.

Zu hohe Erwartungen?
Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Männergruppen oder konservative Politiker machen dafür in erster Linie finanzielle Gründe geltend: Weil der Mann im Scheidungsfall für Frau und Kinder aufkommen müsse, erhöhe das die weibliche Bereitschaft, eine Beziehung zu beenden, massiv. Oder anders gesagt: Während der Mann blute, profitiere die Frau. Dass das nicht ausschlaggebend sein kann, scheint nur schon deshalb offensichtlich, weil die Zahl der unverheirateten Paare mit Kindern seit Jahren steigt (europaweit sind 37,4 Prozent aller Mütter unverheiratet, in der Schweiz 20 Prozent).

Ein Winterthurer Scheidungsanwalt, der aus Diskretionsgründen nicht genannt werden möchte und selbst geschieden ist, winkt ob des angeblichen Scheidungsvorteils für Frauen ebenfalls ab: «Wenn überhaupt, rät man als Anwalt einer Klientin eher, so lange wie möglich verheiratet zu bleiben, denn nur dann profitiert sie, zum Beispiel von der sich stetig anhäufenden Pensionskassenleistung. Eine Scheidung ist für die Frau aus finanzieller Sicht in der Regel unklug: Bei einem Schweizer Durchschnittsgehalt ist die Finanzierung zweier Haushalte kein Pappenstiel. Und wenn das Geld knapp wird, ist es meist die Frau, die zur Sozialhilfe gehen muss.» Aus seiner Praxis kann er die Resultate von Perrig-Chiello bestätigen: Es sind deutlich häufiger Frauen, die ihn wegen einer Trennung aufsuchen.

Andrea Gisler, die Präsidentin der Zürcher Frauenzentrale, die als Anwältin ebenfalls viele Scheidungen erlebt hat, sieht es ähnlich: «Das Finanzielle ist ganz sicher kein Grund. Es mag diese Goldküstenfälle geben, von denen man immer wieder hört, aber die sind die Ausnahme. Es liegt an der zunehmenden Bildung und Selbstständigkeit der Frauen. Und daran, dass die Frustrationstoleranz abgenommen hat und wir gleichzeitig eine Multi-Options-Gesellschaft geworden sind. Ich würde nicht sagen, dass es sich die Frauen zu leicht machen – ich sah eigentlich immer nur Fälle, in denen eine Scheidung als grosse Belastung empfunden wurde –, aber manchmal fragte ich mich schon, ob sie nicht etwas zu hohe Erwartungen haben.»

Ich bin auch wichtig!
Sind Frauen demnach zu anspruchsvoll? Oder zu egoistisch? Oder einfach ehrlicher und konsequenter als Männer? Gemäss der Untersuchung von Pasqualina Perrig-Chiello ist nur in einem Drittel der Fälle ein neuer Partner der Trennungsgrund. Am häufigsten nannten die Frauen «Entfremdung» und «Inkompatibilität»: Man passt einfach nicht mehr zusammen, hat sich auseinanderentwickelt. Überhaupt, erklärt Perrig-Chiello, seien Frauen durchs Band unzufriedener mit ihren Beziehungen als Männer – sie reagierten generell sozial sensibler. Erschwerend hinzu komme eine neue Haltung, ein Anspruch auf Glück sozusagen, der zur Folge habe, dass Beziehungen heute kompromissloser geführt würden. «Das Gemeinwohl zählt weniger. Aus Untersuchungen in Deutschland und den USA weiss man, dass von Scheidungswilligen jeweils betont wird, das Wohl der Kinder stehe an erster Stelle – womit im Unterschied zu früher aber gemeint ist: «Die Kinder sind wichtig – ich aber auch!»

Bloss: Wenn mit der zunehmenden Individualisierung als gesellschaftliches Phänomen argumentiert wird, müsste dies auch auf die Männer zutreffen. Stimmt, sagt die Professorin, aber die machten ihr Glück weniger von einer Beziehung abhängig. Sie seien oft genauso unglücklich in der Partnerschaft, könnten das aber kompensieren, indem sie sich beispielsweise in den Beruf stürzten. Bei Frauen funktionierte diese Art Ablenkungsmanöver nicht, oder wenn, dann nur kurzfristig. Das bestätigen Untersuchungen aus Amerika: Während sich Männer etwa mit einer ausserehelichen Beziehung trösten und ein Doppelleben führen können, entscheiden sich die Frauen, erst recht, wenn sie sich neu verlieben, meist schnell für einen sauberen Schnitt. Und sie gehen die Sache mitunter äusserst unsentimental an. Sie trennen sich auch dann, wenn drei Kinder da sind, wenn der Mann stets mit angepackt oder Teilzeit gearbeitet hat, wenn kurz vorher ein gemeinsames Haus gekauft worden ist – das alles spielt keine Rolle, wenn sie der Meinung sind, in irgendeiner Weise zu kurz zu kommen.

Die betroffenen Männer sind nicht selten völlig überrascht von der Trennung. Einer, dem seine Frau nach 16 Jahren Beziehung soeben mitgeteilt hat, sie würde ihn verlassen, sagt: «Ich war in der Tat auch nicht glücklich, meine Frau und ich funktionierten seit den Kindern wie ein Logistikunternehmen. Da war nicht mehr viel Leidenschaft, nicht mehr viel Spass, die Beziehung litt darunter. Aber ich wäre nie gegangen. Ich wäre mir schlecht vorgekommen, vor allem wegen der Kinder, und ich hätte auch das Gefühl gehabt zu versagen. Wenn man etwas anpackt, zieht man es durch.» Diese Haltung scheint bei Männern zu überwiegen. Sie arrangieren sich mit der Situation, versuchen das Beste daraus zu machen, während Frauen eine Weile lang zusehen, dann Veränderungen fordern und schliesslich, wenn diese nicht eintreffen, einen Schlussstrich ziehen.

Das Warten auf das grosse Glück
Der Soziologe Walter Hollstein glaubt, die Ansprüche der Frauen an eine Beziehung seien gewachsen, während diejenigen der Männer weitgehend stehen blieben: «Früher reichte es, dass der Mann das Geld nach Hause brachte. Heute muss er mehr bieten. Tut er das nicht, vergeht den Frauen die Lust. Für den Mann ist die Welt so lange in Ordnung, wie die warme Suppe auf dem Tisch steht, und er merkt auch dann nichts, wenn seine Frau innerlich schon längst auf gepackten Koffern sitzt.»

Frauen scheinen also zwar radikaler, letztlich aber fixierter auf ihren Partner zu sein. Ist das nun emanzipiert? Pasqualina Perrig-Chiello mag die Entwicklung nicht bewerten. Sie sagt bloss: «Es ist gut, dass Frauen nicht mehr ausharren müssen. Aber es ist eine Illusion, zu meinen, dass sich nach einer Trennung automatisch das grosse Glück einstellt. Denn das ist eine Frage der Persönlichkeit – und nicht eine des Partners.»

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 05.08.2013, 11:22 Uhr
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