Opfer? - aus: Bye

Hast du im Zusammenhang mit deiner binationalen Partnerschaft / Familie etwas erlebt, das dich gefreut oder geärgert hat? Hier kannst du Dampf ablassen und deine Freude teilen.
akos
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von akos »

ok, da bin ich mit dir einverstanden keria!

klar, kolonialismus etc beeinflusst afrika bis heute (sie haben dadurch z.b. einen Grossteil ihrer Kultur, und damit ihrer Identität verloren!). Ich sage ja nicht, es hat nie existiert. Ich sage nur, auch ein missbrauchtes Kind kann einfach nicht mit 50 noch immer dieselbe Ausrede bringen.

unfaire Marktbedingungen einerseits, Entwicklungshilfe andererseits. Ich hatte mal ein Berechnungsbeispiel von Nigeria. Würde man die gesamte Entwicklungshilfe der USA an Nigeria stoppen. Würde man alle Subventionen der amerikanischen Baumwoll-Produzenten stoppen. Würden beide auf dem freien Markt ihre Baumwolle verkaufen. Nigeria würde durch den Verkauf ihrer Baumwolle auf dem freien Markt mehr einnehmen, als sie an Entwicklungshilfe der USA erhält. :roll:
Wieso macht man es dann nicht so? Die USA würde Entwicklungshilfe UND Subventionen sparen. Aus zwei Gründen: Innenpolitik (die amerikanischen Bauern wären sauer wenn sie keine Subventionen mehr kriegten und sich was neues überlegen müssten) und Aussenpolitik (Nigeria wäre nicht mehr abhängig, dort gibt es ja bekanntlich z.b. Bodenschätze).

Zu der Aufklärung vor Ort:
Ich habe meinem Mann einmal eine einfache Frage gestellt: Hast du, oder jemand anderes in deinem Umfeld, dich jemals gefragt, woher das Geld kommt von den reichen Rückkehrern? Woher weisst du, dass dieses Geld nicht aus illegalen Geschäften oder gar aus dem Drogenhandel stammt? Weisst du, welche Arbeit diese Person in Europa macht, bei der er so viel Geld verdient?
Er hat überlegt und geantwortet: Ja, du hast recht, das habe ich mich noch nie gefragt... und heute weiss er auch wieso er sich das hätte fragen sollen. "Normale" Afrikaner die hier her kommen, "verdienen" nämlich nicht so schnell so viel Geld. Sie halten sich mit Temporärjobs vielleicht im Sozialsystem. Wenn sie aber wirklich viel Geld verdienen, dann haben sie entweder eine sehr gute und höhere Ausbildung (Studium) gemacht, Oder sie "verdienen" es eben auf die andere Art. (und ich rede jetzt nicht von jenen, die ein wenig auf die Seite legen, das dann dort viel mehr Wert ist, sondern von denen, die wirklich mit Geld rumprotzen).
Und die Aufklärung vor Ort, die funktioniert nicht über einfache "Erzählungen" von jemandem. Das müssten länger angelegte, gut organisierte Kampagnen sein, damit es etwas bewirkt. Denn das "Paradies Europa" ist im kollektiven Gedächtnis Afrikas so festgefahren, dass man es nicht so schnell entzaubern kann. Viel wichtiger jedoch, als den Menschen zu sagen: Europa ist nicht so toll wie ihr denkt! ist, ihnen Perspektiven zu bieten. Arbeitsplätze zu schaffen. Etwas, das sie motiviert, dort zu bleiben, wo sie sind. Weil sie dort zuhause sind und eine Zukunft haben. Wie du richtig sagst: man muss mit der einfachsten Industrie anfangen. Das ist das, was im Moment dort möglich ist. Das gibt ihnen auch Selbstvertrauen eines Tages zu sagen: behaltet eure Entwicklungshilfe, wir kommen schon klar. (vielleicht erleb ich das ja noch eines Tages, Hoffnung nicht aufgeben...)

kibobo
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von kibobo »

wow! eh man sichs versieht, sind wir doch mal alle gleicher meinung!! :mrgreen:

akos
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von akos »

kibobo hat geschrieben:wow! eh man sichs versieht, sind wir doch mal alle gleicher meinung!! :mrgreen:
*uff!* dachte manchmal ja, ich käme von einem andern Stern oder so. :lol:

Keria
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von Keria »

Passend zu Thema:
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/ ... y/24865675

Zitat: "Experten schätzen, dass multinationale Konzerne pro Jahr Drittweltländern etwa das Siebenfache dessen an Steuern entziehen, was an Entwicklungshilfe geleistet wird."

Deshalb find ich es lachhaft, wenn Leute darauf herumreiten, dass es kriminell ist, nach Europa zu kommen, nur weil man ein besseres Leben haben will und wie viel uns diese Leute doch kosten, dass wir unser Land vor diesen Menschen schützen müssen. Sorry Akos, aber diese Aussagen sind doch völlig ungerechtfertigt. Wir leben auf Kosten anderer Menschen. Wir sehen stumm zu, wie sich die westliche Welt weiterhin bereichert. Wir schlagen uns weiterhin den Bauch voll. Aber diejenigen Menschen, die leider leider nicht vom System profitieren, die sollen gefälligst dort bleiben, wo sie herkommen, dort lebt es sich doch auch nicht schlecht. Und falls sie es doch versuchen, obwohl sie wissen, dass der Westen sie nicht als Asylsuchende anerkennt, dann sind sie kriminell. Das ist die typisch westliche Doppelmoral. Ich find solche Aussagen absolut daneben.

Keria
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von Keria »

Und nochwas: Angesichts solcher Artikel fällt es mir persönlich sehr schwer, Ghana nicht als Opfer zu sehen und mich als Einwohnerin dieses Landes nicht hilflos, ausgenutzt, abhängig zu fühlen. Und als Europäerin kriminell (aber nur für einen Moment, danach wird es beschwichtigt, verteidigt, verdrängt, da hab ich viel Übung drinn, das funktioniert sehr gut, und das ist jetzt kein Spass, ich wünschte mir, es wäre Sarkasmus, leider ist es die nackte Wahrheit).

Liebe Grüsse

akos
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von akos »

Am Ende liegt es an jedem Einzelnen, der zum Kollektiv beiträgt. Brauche ich die Konsumgüter dieser Multis wirklich? Kaufe ich sie?
Ich persönlich benötige recht wenig davon und achte darauf, dass ich beim Grundlegenden regionale oder schweizer Produkte kaufen kann. (eine Ausnahme sind z.b. Textilien, da ist es wirklich sehr schwierig. Da hab ich aber kein schlechtes Gewissen, weil es einfach an sinnvollen Alternativen fehlt :oops: auch keine Lösung.)

Aber, liebe Keria: es ist und bleibt eine Tatschache, dass sich Afrika gern versklaven lässt! Welcher Politiker in Afrika würde schon sagen: nein, wir wollen KEINE Entwicklungshilfe? Wieso entzieht man einem ausländischen Megakonzern nicht die Fischereirechte im Victoriasee, damit ein inländisches privates oder staatliches Unternehmen daran verdienen könnte? Weshalb kriegen ausländische Firmen immer wieder Fischereirechte, wenn sie den eigenen Leuten das Meer vor der Nase leerfischen? Die Hoheit über das eigene Land und Wer dort Geschäfte macht, hat immer noch die Regierung. Wenn die Politik da nicht eingreift, ja, dann sieht es schlecht aus. Dann sind wir Profiteure. Und es wird immer irgendjemand geben, der das ausnutzen wird. Die einzigen, die das ändern können, sind die Afrikanischen Politiker selbst, indem sie solchen Geschäften den Riegel schieben. Würden sie die eigene Wirtschaft mehr fördern, anstatt versuchen ausländische "Investoren" anzulocken, welche das Geld dann doch wieder ins ausland fliessen lassen, sähe die Situation ganz anders aus.

Man kann einfach weiter denken: Es wird ausländischen Firmen erschwert, im Land X zu produzieren. Inländische Firmen haben also einen Vorteil. (Das kann auch heissen, das eine "ausländische" Firma ihren Sitz ins Land verlegen müsste, womit schon nur ein Riesen Haufen an Steuern fällig wären). Eine inländische Firma wird a) besser akzeptiert und b) werden vermutlich Gewinne auch wieder im Inland investiert. Diejenigen Firmen, die wirklich nur den Profit aus einem "günstigen Produktionsstandort" ziehen wollen, werden abgeschreckt. Afrikanische Firmen haben extreme Nachteile gegenüber solchen Multis. Ihnen fehlt es an Know-how, an Fachpersonal, an Investitionskapital, etc. Es liegt an der jeweiligen Politik des Landes, dieses Ungleichgewicht zugunsten des eigenen Landes zu kippen. Das muss nicht einmal etwas kosten. Durch Zollabgaben, Steuern etc. lassen sich solche Massnahmen sogar gewinnbringend umsetzen. Der Westen bietet Afrika keine freie Marktwirtschaft. Wieso tut es Afrika dann dem Westen nicht gleich? Afrika kann auch Subventionen, Sonderabgaben und ähnliches einführen und ausländische Unternehmen zu bremsen. Aber man wird ja mit offenen Armen empfangen. (ja, wenn man Investieren will. Nein, wenn man den Profit wieder ins Ausland zieht)

Der letzte Absatz des Artikels macht es ja deutlich: Die Regierung in Ghana will nicht etwa den Multis an den Kragen: sie gehen auf die eigenen Leute los. Wer ist nun Schuld? Wir? Ich? Du?
Sie betreiben dort gerade Pflästerli-Politik. Die einfachen Leute in die Zange nehmen, währen die Grossen davon kommen. Dasselbe hier. Die "einfachen" Kriminellen werden ausgeschafft, während die "grossen" Kriminellen (Steuerhinterzieher, Manager mit ihren Mega-Boni, etc.) davon kommen.

Keria
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von Keria »

Liebe Akos, ja, ich kenne das Dilemma leider nur zu gut und du beschreibst ganz genau die andere Seite. Die afrikanischen Staaten können viel, um ihr Los zu verbessern. Das ist auch z.B. bei uns im Freundeskreis viel öfters das Thema als die Rolle des Westens. Was können wir tun vor Ort, was erwarten wir von den Politikern, der Regierung, welche Wege gibt es. Diese Themen erlebe ich hier in unserem Umfeld als sehr relevant, relevanter als die Opferrollenthemen. Trotzdem, der Westen sitzt am längeren Hebel, und das darf man trotz allem nicht vergessen. Für die Agrarprodukte sind die afrikanischen Staaten z.B. auf den Marktzugang angewiesen, da nützen Subventionen nichts, wenn es keinen Absatzmarkt gibt oder wenn der Zugang zum Absatzmarkt erschwert wird.

Mir gings halt um die Sicht der Europäer, das wurde hier ja auch thematisiert. Und wir Europäer sollen vor ihrer eigenen Türe mal gründlich wischen, bevor sie alle afrikanischen Wirtschaftsflüchtlinge als Kriminelle hinstellen. So sind meine Ausführungen gemeint. Man kann nicht erwarten, dass Afrika aus seiner Opferrolle erwacht und selbst Verantwortung übernimmt, solange man selbst nicht Verantwortung für den eigenen Teil übernimmt.

Ansonsten stimme ich mit dir überein. Ich glaub ehrlich gesagt nicht, dass wir gross unterschiedlicher Meinung sind.

akos
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von akos »

Keria hat geschrieben: Ansonsten stimme ich mit dir überein. Ich glaub ehrlich gesagt nicht, dass wir gross unterschiedlicher Meinung sind.
Dann ist ja gut :mrgreen:

Klar, es gibt immer zwei Seiten.
Ich für mich persönlich bin mir halt einigen Dingen bewusst, und ich bin bestrebt, bestmöglich damit um zu gehen. (ich kaufe z.b. auch kaum exotische Früchte und ähnliches. Nahrung haben wir hier also wirklich genug und müssen es nicht noch von irgendwo importieren, wo andere Hungern). Aber wer denkt denn schon so weit? Oder möchte auf die Mandarinen und Erdnüssli verzichten? Oder findet: das macht eh keinen Unterschied. Oder gar: die verdienen ja etwas daran (irgendwer schon, nur nicht der Produzent).

Ich arbeite im Moment daran irgend etwas zu entwickeln in "selbstentwicklung"... ist aber noch nicht ausgereift. Erst muss ich auch mal wieder nach Afrika und mir die Sache anschauen.

Shannon
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Re: Opfer? - aus: Bye

Ungelesener Beitrag von Shannon »

WOW *freufreufreu* Super Diskussion!!!! :)

akos du hast da was sehr treffendes geschrieben wegen den exotischen Früchten und so. Das halte ich auch so. Früher kaufte ich extra noch Produkte die fair gehandelt wurden, dann aber sah ich einen Bericht wie es diesen Menschen geht und das die nichts davon haben. Ja, das war es dann mit meinem Kaufverhalten.

Mir war lange nicht bewusst, dass einige viel reicher nach Hause gehen oder sehr viel Geld den Familien schicken können. Der Vater meines Ex hatte sogar ein Handy, damals für Pakistan etwas seltenes. Okay der Ex hat gearbeitet, eine billige Wohnung und gespart. Aber er sagte oft, das er niemals 'Blutgeld' in den Finger haben möchte. Er klärte mich dann auf.....

Heute ist es genau so, leider sind es viele Afrikaner die mit Drogen handeln. Sogar in den Durchgangszentrums ist das inzwischen so.

Ich kann nur von Angola reden, dort stellen sie ein sehr wichtiges Produkt für unsere Computer her (natürlich auch für andere) und - sie haben Diamantenminen. Congo, der ja an Angola grenzt weiss ich jetzt nicht wie es dort aussieht.

Ich weiss nur das die meisten Afrikaner sehr viele Kinder haben. Das wird auch der Grund sein warum die mich immer fragen ob ich noch nicht schwanger bin. *scherz*

Fakt ist egal in welchem Land man sich aufhält, wenn man nichts macht, bleibt man immer auf der selben Stelle stehen.

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