Respekt

Hast du im Zusammenhang mit deiner binationalen Partnerschaft / Familie etwas erlebt, das dich gefreut oder geärgert hat? Hier kannst du Dampf ablassen und deine Freude teilen.
Flora

Respekt

Ungelesener Beitrag von Flora »

Ich habe tagelang ü, ob und wie ich zu diesem Thema schreiben soll.
Es gibt immer wieder Dinge, die kann ich kaum fassen.
Die Frauen, die mit moslemischen Afrikanern verheiratet sind, erzählen hier, dass das Badezimmer jedesmal ü ist, wenn der Mann sich zum Beten wäscht.
Jetzt mal ehrlich: ist das wirklich etwas zum ü lachen?
Was sagen die Frauen und ü in Afrika?
Die Araberinnen ü ihre Söhne zum Bad hinaus ü!

Man stelle sich vor:
Man bereitet sich zum beten vor. BETEN !!
Und respektiert nicht einmal seine eigene Frau, die Mutter seiner Kinder, die dann alles putzen darf.

Das soll ein gläubiger Mann sein?
Das ist Respekt? Das ist Liebe? Wo fängt die Toleranz an und wo hört sie auf?
Diejenigen Frauen, die das erleben, kennen den Ursprung ihrer Männer, deren Familien und Traditionen. Es ist immer eine Gratwanderung, wenn man einen Mann aus der sog. 3. Welt heiratet. Wann ist man Frau, wann Mama, wann Polizist, wann Kindermädchen.

Bad und ü regelmässig ü.
Wieso lässt ihr das zu?
Weil ihr Angst vor Diskussionen habt?
Weil eure Männer laut werden? Einfach rausgehen? Euch auslachen?

Ist es nicht der Papa, der den Kindern die Religion lehrt? Heisst das, dass eure Kids auch ein Schlachtfeld hinterlassen? Oder werden sie gemassregelt, der Papa aber nicht?
Was lernen sie somit? Wie erklärt ihr eurem Sohn, dass er das Bad nicht ü soll, aber der Papa das darf?

Es ist mir bewusst, dass einige jetzt sich angegriffen ü.
Aber ich kann nicht anders.
Ich möchte das einfach gerne zur Diskussion bringen.
Flora

Yamini
ModeratorIn
Beiträge: 69
Registriert: Mo Mär 02, 2009 5:46 pm

Ungelesener Beitrag von Yamini »

Hmmm, da bringst du schon ein paar wichtige Themen auf. Zum Badezimmer sage ich gerne, dass es hier nicht so schlimm ist, weil alles sehr schnell trocknet in der Hitze. Ueberflutet ist natuerlich auch eine Uebertreibung meinerseits, ich realisiere, dass das gefaehrlich ist in einem Forum wie diesem. In der Schweiz hat aber mein Mann generell nachgetrocknet, wenn er das Bad benaesste, und wenn nicht, wurde ihm schon die Postordnung gelesen. Es ist nicht so, dass ich des Friedens zuliebe nichts sage. Viel mehr habe ich gelernt, meine Energie zu schonen, indem ich mich nicht immer aufrege darueber, wenn jemand etwas anders macht als ich.

Das mit der Postordnung ist aber immer so eine Sache, denn mein Mann putzt zum Beispiel dann am besten, wenn ihm niemand sagt, er habe aufzuraeumen. Sobald ich zu noergeln beginne, stellt er sich quer. In Afrika wuerde ihm die Schwester oder Cousine nicht sagen, er soll aufraeumen - er muesste auch nicht, er muss ja dort nicht kochen, besser gesagt, er darf nicht kochen: In Gambia wollen die Frauen keine Maenner in der Kueche und sie essen auch keine Mahlzeit, die von einem Mann zubereitet wurde, zumindest haben mir die Frauen das dort ausdruecklich so erklaert. Nicht, weil sie finden, die Maenner haetten besseres zu tun, sondern weil sie schlicht finden, die koennen das nicht. Wuerde ihm seine Mutter sagen, er muesse aufraeumen, wuerde er das tun. Respekt vor den Eltern ist paramount. Wie es die Frauen dort ihren Maennern sagen? Erstens waschen sich alle draussen im Sand mit einem Giesskaennchen, da spielt es keine Rolle, wo das Wasser hin geht. Es gibt somit nicht viele moeglichkeiten, wo der Mann spezifische Haushaltsmaekel aufzeigen koennte. Wuerde es doch vorkommen, denke ich, dass zumindest die Frauen, die ich kennenlernte, mit lauter schriller Stimme etwas sagen wuerden, es aber dann doch selbst aufraeumen wuerden. Diese Frauen kamen mir aber niemals unterworfen oder schwach vor, im Gegenteil aber viel gelassener und selbstbewusster als ich und so manche andere europaeische Frau, die zuhause "die Hosen anhat". Ich sah dort niemanden grundlos in schlechter Laune vertieft, auch nicht mit Grund. Geklagt wurde, wenn jemand krank war oder starb, oder einem etwas sehr weh tat. Die Frauen lachten und sangen waehrend der Arbeit, gingen stolz und aufrecht und ohne Schleier durch die Welt, und machten sich keine Sorge darum, dass ihre Maenner nachts nicht aufstehen, um schreiende babies zu wiegen, oder ihren Frauen mal etwas Hausarbeit abnehmen. Vielleicht nennt ihr das primitive Kultur - wo jeder weiss, wo sein Platz ist in der Gesellschaft und darin sogar gluecklich sein kann. Was ich mir jedoch dabei gedacht habe, ist, dass wir uns mit der Emanzipation und dem Feminismus selbst einen Schuss ins Bein gejagt haben: diese gambischen Frauen haben nie davon gehoert und sind doch so viel femininer als ich, koennen Frau sein, ohne dabei Prinzipien zu verletzen, und es geniessen. Wenn man mit seinen Staerken umzugehen weiss, lebt es sich einfacher, vielleicht nicht zuletzt darum, weil man einen Mann als Mann sieht und nicht erwartet, dass er sich in der Kueche wie eine Frau benimmt, sich wie eine Frau um den Badezimmerboden sorgt. Es ist dasselbe unausgesprochene Gesetz, nachdem traditionellerweise auch der Mann um die Hand der Frau anhaelt; bei uns ist das heute viel seltener geworden als es z.b. in Afrika noch Brauch ist, aber wie viele Frauen finden es absolut unromantisch, wenn sie ein Mann zu einem Date fragt, um ihre Hand anhaelt? Ich meine mit all dem wirren Zeugs nicht, dass man beide Augen zudruecken soll, wenn der Mann das Haus auf den Kopf stellt. Sondern, dass man vor einem Wutausbruch kurz wartet und sich fragt, erwarte ich von ihm, dass er so ist wie ich? Ich glaube, die Antwort ist oefter ja als uns lieb ist, und wenn die Antwort ja ist, muessen wir entweder aufraeumen oder gehen, denn dann sind wir nicht bereit fuer das Zusammenleben mit diesem Menschen, nicht andersrum.

Das erfordert schmerzhafte Ehrlichkeit mit sich selbst, ich weiss das aus Erfahrung: ich kritisiere meinen Mann viel oefter, als er mich kritisiert. Heisst das, dass er mehr Fehler macht? Natuerlich nicht. Es heisst, dass ich weniger flexibel bin, ihm weniger Raum lassen kann, als er mir. Es heisst, dass ich mehr Erwartungen haben, und die sind Rattengift fuer eine Beziehung. Mit dem Wasser im Bad will mich mein Mann ja nicht nerven, und wuerde es mich wirklich sehr stoeren, waere es eine grossartige Moeglichkeit fuer ihn,mir seine Liebe zu zeigen, indem er das Wassr aufwischt. Tut er es auch dann nicht, obwohl er weiss dass es mich enorm stoert, muss ich mir ueberlegen, ist mir ein trockener Boden wichtiger, oder ist mir diese Ehe wichtiger? Denn kann ich wirklich erwarten, dass er sich fuer mich aendert? Das ist fuer mich nicht Liebe zum andern, sondern Liebe zu mir selbst. Erwartungen sind Ego, das hat mit dem andern Menschen nichts zu tun. Ich selbst ertappe mich immer wieder, wie ich an dieser Tatsache zu ruetteln versuche, weil es viel haerter ist, sich selbst zu sagen: Wenn ich damit nicht klar komme, muss ich etwas aendern, auch wenn aendern bedeutet, dass ich mich aus dieser Beziehung loese und dafuer die Konsequenzen trage. Ich kann mich nicht so wichtig nehmen, zu denken, ich koenne und duerfe einen Menschen so aendern wollen, damit er mir passt. Und da einem sowieso niemand exakt passt, machen wir eben Ausnahmen. Bei mir z.b. muss nicht die Religion stimmen, die finanziellen Verhaeltnisse, Autopraeferenzen oder das Putzregime, sondern z.b. der Grundcharakter, ein gewisses Umweltbewusstsein, die Liebe zur Natur und der Respekt vor allem Lebendigen. Finde ich diese Dinge nicht in einem Partner, so kann ich keine Beziehung mit ihm fuehren. Das ist auch nicht seine Schuld, das ist mein Ego, ich weiss das und ich kann das annehmen, weil mir diese Dinge wichtig sind.

In seinen Jahren in der Schweiz hat aber mein Mann wohl oder uebel lernen muessen, zu kochen, und er kocht sehr, sehr gut. Das ist schon mal Grund dafuer, weshalb ich die eher temperamentvolle Kochweise nicht so ernst anschaue. Ich entschuldige ihn aber auch nicht damit, dass Maenner aus seiner Heimat nicht kochen und ich daher 1. nicht erwarten kann dass er ueberhaupt kocht und 2. dass er sauber kocht. Doch, das erwarte ich schon, und das mit dem sauber sein lernen wir Schritt fuer Schritt. Ich sehe ja, dass er versucht, hinter sich aufzuraeumen, und in gewisen Dingen ist er auch wirklich geschickt, z.b. beim Kleider waschen und Buegeln oder Staubsaugen, das sind Sachen, sie mich irgendwie nerven und da bin ich dafuer noch so froh, uebernimmt er das.
So denke ich ergaenzen wir uns, bin mir auch bewusst, dass ich das in meinen Beitraegen nicht erwaehnt habe (dass er anderes gut macht und sich Muehe gibt, wenn er nicht gezwungen wird).

Dass gewisse Afrikaner auf Zwang und Erpressung so bockig reagieren, fuehre ich persoenlich nicht zur patriarchalischen Kultur zurueck, in dem die Frau dem Mann nichts zu sagen hat, sondern viel mehr auf die kollektiven (und oft unbewusst gelebten) Narben der Sklavenzeit. Dieses Statement braucht sicherlich einiges an Gedankenspagat, ist aber nicht so weit her geholt wie es aussieht. Diese Aera ist noch nicht so lange her, und ein Thema, ueber das noch heute wenige Schwarzafrikaner gerne sprechen. Man weiss heute aus verschiedenen Therapieformen, dass Vergangenes, auch solches das lange vor dem eigenen Leben geschah, auch jetzt noch auf uns einwirkt, und fuer mich macht es Sinn, eher aus wissenschaftlichem Blickwinkel, nicht, weil ich versuche, diese Maenner zu entschuldigen.

Wenn es aber donnert in der Ehe, denke ich, suchen die meisten von uns nach einem Grund fuer das Verhalten des anderen. Wenn Wut und Stursinn keine Antwort ergeben, muss man etwas weiter suchen. Das entschuldigt nichts, hilft aber, den Menschen dort abzuholen, wo er steht. Dass mein Mann enorm an der Sklavenvergangenheit seines Landes und Kontinents nagt, weiss ich, und hilft mir zum Beispiel, nicht gleich die Geduld zu verlieren, wenn er sich verhaelt, als habe man unmoegliches erwartet, und ihn statt dessen selbst auf die Idee kommen zu lassen, das Lavabo abzuwischen und die Sauce an der Wand zu entfernen - ja, nach dem Essen, nach dem Beten und nach dem Telefonieren, aber immerhin.

Schliesslich habe ich mir ihn ausgesucht, und bin somit nicht ganz unschuldig dafuer, was ich mir aufgehalst habe, so wie ich mir sicher bin, dass er nicht alles, was ich ihm nun entgegenschmettere, erwartet haette. Vielleicht kann man das besser voraussehen, wenn man mehr Erfahrung hat. Mein Weg ist jedoch dieser, und darauf habe ich frueh geheiratet, fuer viele zu frueh. Doch fuer mich war es richtig, der schoenste und gluecklichste Tag meines Lebens, und ich werde es nie bereuen, ihn geheiratet zu haben, selbst wenn das mit uns einmal doch nicht mehr fuktionieren sollte. Wir beide sind uns einig, dass wir uns nicht untreu werden wollen, um Raum fuer den anderen zu machen - das waere keine gesunde Beziehung mehr. Doch was gesund fuer andere bedeutet, wissen nur sie selbst, und es liegt an jedem einzelnen Paar, jedem Menschen, sich zu entscheiden, wie viel er oder sie geben will und kann, wie sehr man zur Seite treten kann um den andern etwas ausleben zu lassen, und wie viel Raum man selbst zum Leben benoetigt.

Das war jetzt die Sternstunde. :)

Freue mich auf weitere angeregte Diskussionen. Solche Fragen zeigen mir eigentlich nur, dass sich jemand sorgt fuer uns, sich Gedanken macht. Kritik ausueben ohne bezahlt zu werden lohnt isch fuer niemanden.=) Ich hoffe, es ist etwas verstaendlicher, weshalb das nasse Badezimmer und die Chillisauce im Anekdotenforum gelandet sind und nicht unter Krach oder Frustrationen.

Yamini
"There are no short cuts to any place worth going to"

sonnenblume
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Registriert: Mo Mär 30, 2009 10:21 pm

Re: Respekt

Ungelesener Beitrag von sonnenblume »

Ich habe mal ein Buch gelesen, das heisst "Don't sweat the small stuff in love". Im Falle der Badezimmerüberflutung würde da geraten, sich selbst an der Nase zu nehmen, zu schauen, wessen Tick das denn überhaupt ist. Meine Ansprüche an Sauberkeit und Ordnung unterscheiden sich von denen meines Partners, so what? Soll er sich nach mir richten, sich ständig fühlen, als mache er alles nur falsch und könne es mir ja sowieso nie recht machen, weil es nicht gut genug ist, wie er etwas macht? Oder ist es nicht vielmehr mein "Makel", dass ich so hohe Ansprüche habe? Und wenn es mich stört, warum putze ich denn nicht einfach und lache darüber? Ihn stört es offenbar nicht. Wenn ich also das Badezimmer gleichermassen überfluten würde, würde er auch nichts sage und es putzen, wenn es ihn stört. Prolematisch ist nur, wenn er ERWARTEN würde, dass ich FÜR IHN putze, weil es ihn eben doch selbst auch stört. Das wäre dann ein wirkliches Problem.

Betreffend Vorbildfunktion der Eltern gegenüber der Kinder: Nun, das werden wir in unserem Fall noch sehen. Unsere Kleine ist noch nicht so weit, dass sie da mitmischt. Ich denke es wird so ablaufen: Wenn sie mit mir kocht, lernt sie von mir, wie ich die Temperatur runter schalte, damit nicht alle Sauce an die Wände spritzt, wie ich nachher wenig zu putzen habe. Wenn sie mit Papa kocht, dann sieht sie eben auch seine Art zu kochen, nur die höchste Temperaturstufe und Spritzer überall. Sie kann dann selbst entscheiden, wie sie's macht. Vielleicht erfindet sie auch eine dritte Methode... Das Faszinierende daran ist ja, dass, z. B. beim Kochen, das Resultat nachher gleich ist: Beide so unterschiedlich zubereiteten Mahlzeiten sind bekömmlich und erfüllen ihren Zweck.

P.S. Heisst es nicht, viele Wege führen nach Rom? Ich denke, in solchen Alltagsdingen ist Tolereanz und Gelassenheit nicht fehl am Platz. Ob in einer binationale Partnerschaft oder nicht, spielt hier keine Rolle.

akos
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Re: Respekt

Ungelesener Beitrag von akos »

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